Melbourne

 

24.05.

Nach den vielen menschenleeren Nationalparks und Agrarflächen  kommt uns Melbourne ziemlich voll vor. Gigantische Verkehrsachsen zerschneiden die Stadt, und im CBD stapeln sich die Hochhäuser dicht nebeneinander. Über den ebenfalls riesigen Hafen spannt sich die längste Tragseilbrücke der Welt (an dieser Stelle ein Gruß an Simon!). Um uns einen Überblick zu verschaffen, fahren wir mit einem rasend schnellen Aufzug hoch ins 88. Stockwerk des Eureka Tower, der wiederum höchstgelegenen Aussichtsterrasse der Südhalbkugel. Die Tennisplätze der Australian Open leuchten blau wie das Meer im Hintergrund. Das alte Bahnhofsgebäude von Flinders Street Station und die St Paul’s Cathedral ducken sich vor den Wolkenkratzern des Stadtzentrums. Wir laufen durch das obligatorische Chinatown und fahren eine Runde mit der historischen City-Circle-Tram. Zum Abschluss schauen wir nochmal von oben auf die Stadt, wie sie in der Nacht unter uns funkelt.

25.05.

Wie angekündigt regnet es mehr oder weniger ununterbrochen. Netterweise kostet die National Gallery keinen Eintritt, also stellen wir uns für ein paar Stunden dort unter. Das Hipsterviertel Fitzroy ist ein Hipsterviertel wie so viele andere auch, aber immerhin gibt es hier für uns guten Kuchen und einen heißen Tee. Melbourne soll eine der lebenswertesten Städte der Welt sein, und mit seiner Lage zwischen Yarra River und Meer ist das gut vorstellbar, aber uns zeigt es sich nicht direkt von seiner besten Seite. Wir sind uns nicht so recht einig, ob wir Sydney oder Melbourne den Vorzug geben würden. Zumindest was das Wetter in diesem Mai angeht, gehen drei Punkte an Sydney.

Wilsons Promontory National Park

 

22.05.

Wir frühstücken in der Sonne (zum vorerst letzten Mal, wie sich herausstellen wird) und schnüren unsere Wanderschuhe, um uns die Halbinsel vom Mount Bishop aus von oben anschauen zu können. Die Landschaft mit ihren von Gletschern abgeschmirgelten Felsen und Hügelkuppen erinnert an Schottland. Für den Rückweg wählen wir eine etwas längere Route über den Squeaky Beach, wo der Sand so fein ist, dass er unter den Füßen quietscht. Nach fünf Stunden erreichen wir wieder den Campingplatz und starten mit dem Buschen nochmal zu einer abendlichen Tierbeobachtung. Emus und graue Riesenkänguruhs lassen sich im Sonnenuntergang ganz aus der Nähe betrachten, und die friedlichen Wombats sind wie üblich so sehr mit Fressen beschäftigt, dass wir sie sogar streicheln können. Der Abend ist erstaunlich mild, so dass wir lange draußen sitzen und über uns das Possum im Baum rascheln hören können.

23.05.

Es stürmt. Und regnet. Zeit, dass wir von hier verschwinden. In einem trockenen Moment stoppen wir noch kurz an der Whisky Bay und sehen zu, wie der Wind das Meer gegen die Felsen drückt. Auch am Hochass rüttelt er gewaltig. Unser nächstes Ziel winkt in der Ferne: Melbourne.

Gippsland Lakes NP – 90 Mile Beach

20.05. – von Canberra zum 90 Mile Beach

Angesichts des Wetters (3 Grad und Schneeregen in Thredbo Village) verzichten wir auf die ursprünglich angedachte Besteigung des Mount Kosciuszko, Australiens höchstem Berg, und legen stattdessen einen Streckentag ein, der uns gen Süden zum Gippsland Lakes National Park bringt. Sechs Stunden lang fahren wir durch Landschaft und Wald und Nirgendwo an Schafen und toten Beutlern vorbei durch die Hügel bis ans Meer, wo wir unser Lager am 90 Mile Beach aufschlagen.
Victoria bezeichnet sich selbst auf seinen Nummernschildern als „The Education State“, und das merkt man auch. Ab der Grenze zum Capital Territory werden wir alle fünf Kilometer mit verschiedensten mehr oder weniger drastischen Sprüchen daran erinnert, doch bitte bei Ermüdung einen Powernap einzulegen. Die öffentlichen Toiletten wiederum mahnen wiederholt die Nutzung der Klospülung sowie das Händewaschen nach dem Toilettengang an. Die Victorians scheinen ein sehr schläfriges und mit grundlegenden Hygieneregeln wenig vertrautes Volk zu sein. Auch im weiteren Verlauf unserer Reise durch Victoria bleibt der mahnende Zeigefinger allgegenwärtig. Selbst der Besuch im Nationalpark wird mit dem Slogan der Nationalparkverwaltung „healthy parks, healthy people“ zur nutzbringenden Aktivität für die Volksgesundheit deklariert. Wir können uns nicht so richtig entscheiden, ob wir die vielen Infotafeln eher interessant finden, oder ob uns der ständig anwesende imaginäre Schulmeister doch eher auf die Nerven geht.

21.05. – weiter zum Wilsons Promontory National Park

Die Sonne am Morgen und der menschenleere, endlose Strand laden zu einer Erfrischung in den Wassern des Pazifiks ein. Wir genießen ein wenig die Wärme im goldenen Sand, bevor wir zu unserer nächsten Station aufbrechen: Wilsons Promontory National Park, ein bergiges Kap ganz an der Südspitze des Kontinents. Gleich bei der Einfahrt in den Nationalpark sehen wir schon, weswegen wir hergekommen sind: auf einer offenen Grasfläche steht ein Emupaar, daneben picken ein paar Rosakakadus. Auf dem Campground am Tidal River streifen abends grasende Wombats umher, während ein schwarzbraunes Possum im Baum über uns seine Vorspeise einnimmt. Mahlzeit!

Canberra

 

19.05.

Früh geht’s weiter nach Canberra, der Hauptstadt Australiens. Wir kommen zum ersten Mal in die Nähe dessen, was der Australier als „Outback“ bezeichnet: Ein Dorf kommt hier nur alle 50 km mal, und eins mit grundlegender Infrastruktur sogar nur alle 100. Am Straßenrand liegen leider viele tote Beuteltiere…
In Canberra angekommen starten wir mit dem National Museum of Australia, das sehr eindrucksvoll sowohl die Kultur und Geschichte der Ureinwohner als auch die harten Bedingungen wiedergibt, mit denen die ersten weißen Ankömmlinge bei der Erforschung und Besiedelung des Kontinents zurechtkommen mussten. Die Eroberung Australiens zeigt sich als ein Kulturkampf, der für beide Seiten zugleich auch ein Überlebenskampf war und bis heute ist.
Das Parliament House hat einen kostenlosen Parkplatz und ist auch sonst äußerst besucherfreundlich: man passiert einfach eine Sicherheitsschleuse und darf sich dann das Gebäude von innen ansehen, inklusive der beiden Parlamentsräume von Senate und dem House of Representatives. Jedenfalls, solange gerade keine Sitzungen stattfinden, und da beide Parlamentskammern gerade vor anderthalb Wochen erst aufgelöst wurden, ist das aktuell nicht zu erwarten. Der Ausblick vom Dach offenbart die Künstlichkeit Canberras als Reißbrettstadt. Das Gebäude selbst ist in seiner Größe zwar monumental, aber gleichzeitig schlicht. Auch unser Campingplatz ist genau so wie die Stadt: Gut ausgestattet, aber zweckmäßig. Ansonsten ist Canberra vor allem: Kalt, windig und ungemütlich.

Booderee National Park

17.05.

Wir frühstücken in Ruhe bei Vogelgezwitscher in der Sonne und fahren dann weiter über Nowra Richtung Jervis Bay/Booderee NP, wo wir uns auf dem Green Patch Campground einen Platz suchen und den weißen, puderzuckerfeinen Strand vor knackblauem Meer genießen. Hier sehen wir auch unsere ersten Eastern Grey Kangaroos – eine kleine Känguruhfamilie wohnt auch auf dem Campingplatz. Die grauen Känguruhs sehen mit ihren rundlicheren Gesichtern deutlich freundlicher aus als ihre roten Kollegen. Beim Abendessen lernen wir unseren nächsten felligen Freund, das Brushtail Possum, kennen. Wie eine Katze schleicht es um unseren Stellplatz und unsere Füße (!) und leckt später in einem unbeobachteten Moment unsere Tomatensaucenreste von unseren Tellern.

18.05.

Beim Frühstück versammelt sich über uns eine Gruppe von Kookaburras – Lachvögeln. Ihre Rufe klingen tatsächlich wie jemand, der sich total schlapplacht. Witzig! Wir fahren nach Hyams Beach zum Kaffeetrinken und beobachten bei unserer Rückkehr auf dem Campground drei verschiedene Papageienarten: King’s Parrot, Pennantsittich/Crimson Rosella und Rainbow Lorikeets. Am Nachmittag gehen wir schwimmen und laufen etwa eine Stunde über Strand, Felsen und durch den Wald zum Murrays Beach: das Wasser ist so klar, dass man selbst weit draußen noch den weißen Sand und die Muscheln unter sich sehen kann! In der Ferne schwimmen Delphine durch die Bucht, über uns kreisen immer wieder Seeadler, und neben uns hüpfen Wallabys durchs Unterholz. Wir schauen vom Governor’s Point hinaus auf den Pazifik, sehen aber leider keine Wale. Beim Abendessen auf dem Campingplatz umschmeichelt uns wieder unser felliger Freund, das Possum. Wir müssen die Bustüren geschlossen halten, um später nicht irgendwelche Beuteltiere heraustragen zu müssen.

Blue Mountains National Park

 

15.05.

Frühstück unter riesigen Eukalyptusbäumen. Jacob schaut neidisch auf das Profi-Equipment unser Campingnachbarn. Unser erster Stop führt uns zum Lookout am Little Switzerland Drive mit toller Klippe über dem blauen Eukalyptusmeer des Jamison Valley. Weiter geht’s nach Katoomba zum Echo Point: Es wird spürbar voller. Am Echo Point stapeln sich die Massen, um die berühmten Three-Sisters-Felsen zu fotografieren. Und natürlich vor allem sich selbst (mit den Three Sisters irgendwo im Hintergrund). Halb Indien und China haben sich hier versammelt (und die Hälfte aller in Sydney anwesenden Backpacker). Die Ausblicke auf die Felsformation und das Tal sind toll, der Genuss wird aber durch die Menschenmassen etwas getrübt. Einen schönen und deutlich ruhigeren Abschluss des Tages finden wir in Blackheath am Govett’s Leap mit einem längeren bergigen Spaziergang zum Horseshoe Waterfall und einem tollen Blick auf das Grose Valley in der Abendsonne. Wir finden einen schönen Campingplatz auf der anderen Seite des Ortes im Megalong Valley und genießen eine warme Kürbissuppe.

16.05.

Früh raus und auf zu einer Tageswanderung! Vom Evans Lookout wandern wir zunächst über den Cliff Top Trail hinüber zu Govett’s Leap und steigen dann sehr steil durch die Felsen ins Tal hinab, vorbei am Bridalveil Waterfall und einigen kurzen Duschen. Am Fuße der Felsenkante geht es weiter durch den hier feuchten Wald, parallel zu einem Bachlauf, hinab ins Grose Valley. Am Junction Rock finden wir nach einigem Suchen schließlich auch unseren weiteren Pfad, der uns zunächst sanft im Tal und dann wieder steiler ansteigend über den Horse Track zurück zum Ausgangspunkt oben auf den Felsklippen bringt. Interessant sind die Kontraste der Vegetation: oben auf dem trockenen Plateau war sie noch hartblättrig und dornig und machte mit dem vielen niedrigen Unterholz ihrem Namen als „Busch“ alle Ehre; hier unten im Tal ist es feuchter und es gedeihen Palmfarne und „saftigere“ Pflanzen. Dazwischen stolzieren Lyrebirds (Leierschwanzvögel), die sich von uns kaum stören lassen. Wir stellen fest: Das Naturerlebnis auf der Wanderung ist wirklich ein ganz anderes als von den Lookouts. Unten im Valley sind wir fast alleine, nur ein paar andere Wanderer kommen uns entgegen. Der Aufstieg zurück zum Parkplatz ist allerdings sehr anstrengend, knapp 1000 Höhenmeter wollen zurückerobert werden und das mit dem Zeitdruck der früh einsetzenden Dämmerung. Wir schaffen die Tour schneller als gedacht (insgesamt 5:50 Std. mit nur zwei kurzen Pausen), aber sind dann auch ziemlich kaputt. Auf der Weiterfahrt Richtung Südosten und Booderee National Park finden wir einen super ausgestatteten kostenlosen Campingplatz im „Wombat Grove“ von Bendeela. Es wimmelt hier tatsächlich von überaus niedlichen Wombats! Oder auch „Wombatzen“, wie Tina sie aufgrund ihrer Körperform nennt (man sieht deutlich, warum man sich für sie die taxonomische Familie der „Plumpbeutler“ hat einfalllen lassen). Sie grasen friedlich auf dem Campingplatzrasen und lassen sich von uns kaum stören. Als wir später im Bett liegen, scheuert sich einer an unserem Hochass und schaukelt uns so sanft in den Schlaf.

Sydney

11.05.

Der australische Rotwein auf dem Qantas-Flug ist gut. So gut, dass Jacob irgendwo über Indonesien gerne darin baden möchte. Tina zieht nach und badet zwar nicht sich, aber den glücklicherweise fleckneutralfarbenen Kabinenboden. Wir schlafen nur spärlich und kommen entsprechend ermüdet frühmorgens in Sydney an. Zum Glück können wir gleich ins Hotel einchecken und uns erst nochmal hinlegen. Mittags starten wir zu einem Spaziergang durchs Zentrum zur Town Hall und dann über Hyde Park und die Royal Botanical Gardens zum Aussichtspunkt Mrs Macquarie’s Chair, wo sich uns das klassische Hafenpanorama mit Opernhaus und Harbour Bridge eröffnet. Für Tina ein Wiedersehen mit bekannten Orten; Jacob sammelt erste Eindrücke von einer entspannten Stadt, der man ihre 4 Millionen Einwohner gar nicht anmerkt. Wir gehen Pizza essen und stellen fest: Restaurants in Australien sind teuer. Und: Sydney rennt. Joggt. Walkt. Ist außerdem voll mit Indern und Fernost-Asiaten. Und, ganz ehrlich: das Hafenpanorama ist wirklich, wirklich beeindruckend.

12.05.

Unsere innere Uhr zwingt uns immer noch zu absonderlichen Schlafzeiten. Wir schlendern gegen Mittag durch das alte Hafenviertel The Rocks und nehmen die Sydney Opera genauer unter die Lupe. Mit der Fähre geht es durch den Naturhafen von Sydney rüber nach Manly, wo wir zu einem mehrstündigen Spaziergang durch einen Teil des Sydney Harbour National Park zum North Head starten, dem nördlichen „Torpfosten“ am Eingang des Sydney Harbour. Wir genießen den Sonnenuntergang über der Stadt und auf der Rückfahrt vom Außendeck der Fähre das Nachtpanorama.

13.05.

Heute sind wir endlich mal etwas früher dran und brechen nach einem Frühstück in The Rocks nach Bondi Beach, dem Surfer-Hotspot, auf. Der Strand, bei Tinas letztem Besuch eine schmutzige Enttäuschung, ist dank neuer Non-Smoking-Policy viel sauberer als vor 10 Jahren. Wir beobachten ein bisschen die Surfer, aber so richtig guter Wellengang ist heute nicht. Also auf zum Coastal Walk über Klippen und kleine Strandbuchten nach Coogee. Von dort aus odyssieren wir per Bus zurück in die City in die Stadtviertel Kings Cross und Potts Point und lassen deren Kontrast aus billigen Backpacker-Unterkünften einerseits und den schicken Freitagsabends-Bars der CBD-Angestellten andererseits auf uns wirken. Wir essen im verrückten Chinatown zu Abend und genießen unsere vorerst letzte Nacht mit Hotelkomfort.

14.05.

Letzte Besorgungen wollen erledigt werden: Reiseatlas und Flipflops! Anschließend holen wir unsere mobiles Zuhause für die nächsten zwei Monate ab. Der Toyota Hiace (wir taufen ihn auf den Namen „Hochass“) hat beruhigende 307.000 km auf dem Tacho. Auch sonst ist unser Buschen in seinem Erhaltungs- und Ausstattungszustand etwas enttäuschend. Nun ja, Hauptsache, es fährt. Wir wollen lieber nicht drüber nachdenken, wie die Gefährte der Billigkategorie aussehen… Danach meistern wir erst den Großeinkauf in Little India und dann logistische Fragestellungen beim anschließenden Ein- und Umräumen unserer Habseligkeiten vom Koffer in den Bus. Puh! Unseren Campground im Blue Mountains National Park erreichen wir über unsere erste Dirt Road und gefühlt riesige Wasserrinnen und Felsbrocken im Boden (Offroad-Prüfung bestanden!) schließlich erst im Dunkeln. Abendessen und ab ins Bett!


 

Hong Kong – Zwischenstopp am Rande Chinas

Hong Kong – der erste Stop auf unserer Reise. Eine sehr diverse Stadt, spektakulär und eigenwillig zugleich.

Ankunft am 07.05. gegen 23 Uhr

Der erste Eindruck im Dunkeln: Riesig. Gespenstisch. Ein Moloch aus übereinandergestapelten Menschen. Dazu das Klima: sobald wir den Flughafen verlassen, laufen wir erst einmal gegen eine feuchtwarme Wand. Der Müllgeruch, der auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Hotel über den Straßen schwebt, macht es nicht unbedingt besser. „Hong Kong“ soll auf Chinesisch „duftender Hafen“ bedeuten – nun ja, Duft ist bekanntlich auch relativ. Wo sind wir hier nur gelandet?! Gleichzeitig ist es doch auch für Fremde leicht, sich zurechtzufinden. Die hier zusammenströmenden Menschenmassen müssen wohl zwangsläufig sehr gut organisiert werden. Einen Glückstreffer machen wir in unserem Hotel: unser Zimmer liegt im 23. Stock. Beste Aussicht also!

Erster Tag, 08.05.

Wir schlafen tief und lange. Die innere Uhr geht noch ziemlich nach. Danach die ersten Entdeckungen zu Fuß im Viertel um die Hollywood Road. Erstaunlicherweise ist es zumindest hier in Sheung Wan relativ leer. Wo sind die vielen Menschen, die in all diesen wie Duplosteine aufeinandergestapelten Kisten wohnen? Ein paar kommen im Man-Mo-Tempel vorbei, um den hier verehrten Gottheiten Räucherstäbchen und Früchte darzubringen und für Erfolg zu bitten. Ein spannendes Bild: uralte Kultur eingequetscht zwischen den Hochhäusern des modernen Hong Kong. Die Räucherspiralen unter der Decke tauchen alles in eine penetrant duftende Dunstwolke. Nach fünf Minuten tränen die Augen und wir müssen hier wieder raus. Unsere Kleidung wird noch am nächsten Tag nach Räucherstäbchen riechen. Auch auf der Fortsetzung unseres Spaziergangs werden unsere europäischen Nasen etwas strapaziert: überall in den Seitenstraßen breiten sich Marktstände mit gleichermaßen eigenwilligem Geruch wie auch Angebot aus. Der Platzmangel wird allerorten sichtbar: jeder freie Quadratmeter kann zu einem Laden werden und jede noch so kleine Grundfläche mit einem dreißigstöckigen Haus bebaut werden. Auch wenn deren Zustand teils fragwürdig ist, ebenso die Arbeitssicherheit auf den Bambusgerüsten… Zweiter Eindruck von Hong Kong also bei Tageslicht: Ein Schmelztiegel von Kulturen, Ost wie West. Dennoch ist es weder übermäßig chaotisch noch kommen Gefühle von Unsicherheit auf. Auffallend ist der Kontrastreichtum auf kleinem Raum. Die alte Tram mit ihrer eigenwilligen, beinahe quadratischen Form ist rumpelig und langsam. Gleichzeitig ist die Luxusautodichte außergewöhnlich hoch. Wir flüchten aus der Stadt und fahren mit dem Bus hoch auf den Victoria Peak. An der Endstation befindet sich erst mal eine Shopping Mall. Als ob es unten an der Küste nicht genügend Einkaufmöglichkeiten gäbe…
Die letzten paar Hundert Meter auf den Gipfel gehen wir zu Fuß weiter. Es ist in der schwülen Hitze sehr anstrengend, aber dafür sind wir plötzlich mitten im grünen Urwald für uns allein und weit oben über den Betonschluchten der Stadt. Leider ist es ziemlich wolkig, aber der Blick auf Hong Kong Island und auf die auf dem Festland liegenden Stadtteile ist doch beeindruckend: gestapelte Menschen allüberall. Dennoch sieht man erstaunlich viel Grün, insbesondere die Bergrücken thronen als dicht bewaldete Oasen über der nun in der Nacht versinkenden Stadt. Unser spätes Abendessen dann wieder in Sheung Wan finden wir in einem chinesischem Imbiss und lernen: die Spezial-Szechuansoße des Chefs macht’s.

Zweiter Tag, 09.05.

Das Wetter zeigt sich heute etwas freundlicher. Nach einem spätem Start dank Jetlag entschließen wir uns daher zu einem Ausflug mit der Fähre nach Lantau Island. Der Bus fährt uns vom Hafen weiter durch dörfliche Siedlungen und viel viel Grün in das Fischerdorf Tai O. Hier sind wir gefühlt tief in China. Der Kontrast zu Hong Kong City könnte größer kaum sein. Das Leben hier ist ärmlich und einfach. Wir machen für lächerliche 25 HKD eine Bootstour durch das Dorf: die Häuschen stehen auf Stelzen über dem Meer. Leider sehen wir nicht die lokalen Berühmtheiten: die rosa Delphine. Schade! Wir laufen über den Markt quer durch das Dorf: man will lieber gar nicht wissen, was das alles so ist, was hier verkauft wird. Schrumpelige angeschimmelte Seegurken zum Beispiel. Chinesische Touristen kaufen hier diverse getrocknete Meerestiere vom Seepferdchen bis zum ganzen Oktopus. Auf dem Weg zum Tempel hinter dem Dorf flattern vogelgroße Schmetterlinge um uns herum. Der Opa im Tempel ist trotz sprachlicher Barriere sehr bedacht darauf, uns über die Geschichte des Ortes und die verehrten Gottheiten aufzuklären. Wir verabschieden uns vom Meeresgott und seinen Freunden und fahren mit Bus und dem U-Bahn-Äquivalent MTR wieder in Richtung HK Island nach Kowloon/Tsim tsa Tsui. Die als Sehenswürdigkeit vollmundig angepriesenen Chung King Mansions sind zumindest für einen Einwohner Berlins weniger spektakulär als erwartet. Hier trifft die Welt auf einem Ort zusammen: China, Europa, Afrika, indischer Subkontinent, Mittlerer Osten. Anschließend treffen wir endlich Clemens, um die „Light Show“ über der Skyline von Hong Kong Island zu betrachten. Na ja… im Wesentlichen ein paar grüne Laserstrahlen. Trotzdem beeindruckendes Panorama. Mit der Fähre geht’s wieder rüber nach HK Central, wo wir in einem Straßenrestaurant essen. Der Blick auf den Teller offenbart: hier wird wirklich jeder Teil des Hähnchens und Rinds verarbeitet. Zum Glück ist die Beleuchtung eher spärlich, schmecken tut es jedenfalls. Wir werden zur Attraktion für die Filipinos am Nachbartisch: man bittet uns, für ein Foto zu posieren. Nun, warum nicht?

Dritter und letzter Tag, 10.05.

Hongkong begrüßt uns zum Frühstück mit Regen und nochmals Regen. In Bächen fließt das Wasser den Hang hinunter. Wir haben aus Deutschland keinen Regenschirm mitgebracht und sind auch nicht gewillt, für die letzten Stunden in Honk Kong einen zu kaufen. Man müsste auch überhaupt erst mal zu einem Laden laufen, bis dahin wäre man ohnehin durchweicht. Zum Glück müssen wir erst um 12 auschecken, verkriechen uns also nochmal in unserem regenverdunkelten Hotelzimmer, wo Kristina in einem jetlagbedingten Vormittagsschlaf versinkt. In einer Regenpause brechen wir dann zum Central-Bahnhof auf, um dort schon mal für unsere Flüge am Abend einzuchecken und unsere Koffer aufzugeben. Auf dem Rückweg Richtung Hollywood Road eine erste Krise: Jacob vergeigt die Terminabsprache mit Clemens zwecks gemeinsamem Mittagessen; zum Ausgleich lotst Tina ihn in die falsche Straßenbahn. Wir schaffen es schließlich doch noch, Clemens zu einer späten Lunchpause zu treffen, und über dem duftenden vietnamesischen Essen verfliegen dann auch die letzten Ärgernisse. Zum Abschluss unseres Hong-Kong-Erlebnisses geben wir uns die volle Dröhnung des blinkenden und überfüllten Downtown-Stadtviertels Causeway Bay. Kurz bevor der Stresspegel erneut kritische Werte erreicht, hauen wir dann aber ab. Richtung Sydney!